Wie kann das Wohlbefinden der Pferde im Reitverein verbessert werden? Diese Frage wurden mehreren Fachleuten aus der Pferdewelt anlässlich der Konferenz zum Wohlbefinden von Pferd und Mensch am 12. Dezember gestellt. Vorträge und Diskussionsrunden folgten, mit dem Ziel, Fachkräfte und Reitschüler:innen für das Wohlbefinden der Pferde in Reitschulen zu sensibilisieren.
Die Anzeichen von Unwohlsein vom Boden aus erkennen
Wenn man den vier Rednerinnen dieses Vormittags - Nathalie Accurso (Haras de la
Cense), Eva Cirefice (Poneyland de Thiais), Amandine Krauskopf (Equine Health
Sport) und Christine Gallou (Ecuries de la Futaie) - zuhört, haben die Reitlehrer:innen auch die Aufgabe, den Reitern beizubringen, die Anzeichen von Unwohlsein bei dem. Pferd, das sie reiten, zu erkennen.
Das Putzen beispielsweise ist ein wichtiger Schritt, um ungewöhnliche
Verhaltensweisen zu erkennen, da es dem Reiter die Möglichkeit gibt, das Pferd zu beobachten und auf seine Empfindlichkeit zu achten. Hier stellen wir vier Verhaltensweisen vor, die dich, wenn du sie beim Putzen feststellst, alarmieren sollten:
• Das Pferd hat „Ticks“, auch als „Stereotypien“ bezeichnet, hierbei handelt es sich um sich dabei um sich wiederholende Verhaltensweisen ohne erkennbare Funktion. Zu den bekanntesten gehören hier „Koppen“ oder „Weben“. Oder auch Bewegungen der Zunge und der Lippen, die immer wieder gleich sind. Diese Ticks werden heute als Indikatoren für Stress und Unwohlsein
anerkannt.
• Das Pferd ist aggressiv. Aggressivität gegenüber Menschen kann sich in
verschiedenen Verhaltensweisen äußern: von leicht angelegten Ohren bis
hin zu körperlichen Attacken, die für den Reiter durchaus gefährlich sind.
Dieser Verhaltensindikator kann mit Formen von körperlichem Unbehagen
oder Schmerzen in Verbindung gebracht werden.
• Das Pferd zeigt sich seiner Umgebung gegenüber unempfindlich. In diesem Fall zeigt sich das Pferd abwesend, deprimiert und scheint gegenüber äußeren Stimulationen gleichgültig zu sein. Diese Rückzugshaltung wird von Pferden häufig eingenommen. Sie unterscheidet sich von der Ruhehaltung durch offene Augen, einen gestreckten Hals auf Rückenhöhe, nach hinten gerichtete Ohren und eine starre Kopfhaltung.
• Das Pferd ist „überaufmerksam“, also ständig auf Hab acht. Es zeigt sich bereit, auf mögliche Bedrohungen zu reagieren. Dieses Verhalten zeichnet sich durch einen stark hochgezogenen Hals, einen starren Blick, weit offene Nüstern und auch Schnauben aus.
Wenn du dieses Verhalten bei einem Pferd feststellst, solltest du mit deinem Reitlehrer darüber sprechen.
Die Anzeichen von Unwohlsein aus dem Sattel erkennen
Während einer Trainingseinheit solltest du genauso aufmerksam auf das Verhalten deines Pferdes achten. Auch hier kann es dir Signale senden, die du lesen lernen musst, vor allem, damit du nie wütend reagierst. Hier sind einige Verhaltensweisen aufgeführt, die Unbehagen oder Schmerzen zeigen:
• Angelegte Ohren. Wenn die Ohren deines Pferdes länger als fünf Sekunden
angelegt sind, ist dies ein Zeichen für Unwohlsein. Dasselbe gilt, wenn das
Weiße in seinem Auge länger als fünf Sekunden sichtbar ist.
• Ungewöhnliche Reaktionen in allen drei Gangarten. Wenn es Schwierigkeiten beim Vorwärtsgehen hat, ausbricht, spontan die Geschwindigkeit ändert oder
ausschlägt.
• Empfindlich im Maul. Dies kann sich durch ein offenes Maul, eine
herausgestreckte Zunge, Zähneknirschen, aber auch aufgeblähte Nüstern
äußern.
• Abrupte Bewegungen. Wenn dein Pferd mit dem Kopf schlägt oder den Hals
abknickt.
• Schweifschlagen. In diesem Fall schlägt das Pferd mit dem Schweif in
seitlichen, kreisförmigen oder vertikalen Bewegungen, es kann ihn aber auch auf die Kruppe drücken.
Wie kann das Wohlbefinden der Pferde im Reitverein sichergestellt werden?
Reitschulen spielen eine wichtige Rolle bei der „Ausbildung“ des Reiters. Die
Reitlehrer:innen sollten sich die Zeit nehmen, zu erklären, dass Reiten am Boden
beginnt, bereits dann, wenn man auf das Pferd von der Koppel oder aus der Box holt. Beim Reiten geht es nicht nur um sportliche Betätigung oder darum, auf dem Rücken des Pferdes zu sitzen, sondern um einen umfassenden Austausch, eine umfangreiche Kommunikation mit dem Tier. Die Ställe sollten mit gutem Beispiel vorangehen und den Pferden auch in einer städtischen Umgebung eine hohe Lebensqualität bieten.
Hier findest du einige von den Rednerinnen vorgeschlagenen Ideen für das Umfeld des Pferdes:
• Den Lebensraum optimieren. Und dazu gehört der Bau von Unterständen,
wenn es auf der Koppel ist, oder auch eine geräumige Box.
• Soziale Kontakte im Stall oder auf der Koppel fördern (in Frankreich sieht man
immer noch Pferde allein stehen, was z. B. in der Schweiz und in Deutschland
verboten ist). Da Pferde Herdentiere sind, sind Sicht-, Geruchs- und Hörkontakt mit Artgenossen von wesentlicher Bedeutung. Für ein Pferd in der Box empfiehlt es sich daher, durchbrochene Wände zu wählen, Abtrennungen zu entfernen oder gar die Türen abzunehmen und durch ein Seil zu ersetzen.
• Täglich soziale Kontakte ermöglichen. Zum Ausgleich benötigen Pferde
mindestens einmal täglich die Möglichkeit zur freien Bewegung. Es muss ausreichend Platz vorhanden sein, damit sie bequem galoppieren können.
• Den Komfort in kleinen Räumlichkeiten maximieren Ställe in der Stadt haben oft enge Boxen, daher ist es von entscheidender Bedeutung, die Einstreu sauber zu halten. Um dies zu tun, können z. B. Gummimatten unter der Einstreu verlegt werden. Man sollte dem Pferd aber auch den Blick nach draußen ermöglichen, indem man ein Boxenfenster einbaut.
• Die Fütterung anpassen. Es ist besser, Raufutter mit hoher Qualität zu wählen, das über den Tag verteilt gegeben wird und die Menge an Pellets zu
reduzieren, um das Risiko von Magengeschwüren zu vermeiden. So wird die
Kauzeit und die natürliche Beschäftigung des Pferdes erhöht.
• Eine gute Pflege. Da die Pferde sehr stark beansprucht werden, müssen sie mit allem Komfort versorgt werden, der für ihre gute körperliche Verfassung
erforderlich ist. Es ist wichtig, sicherzustellen, dass alle Pferde über aktuelle
Impfungen verfügen und regelmäßig entwurmt werden. Aber auch Osteopathie, Hufbeschlag, Massagen, Magnetfeldtherapie etc. sind nicht zu vernachlässigen und sorgen dafür, dass die Pferde sich wohlfühlen.
• Bodenarbeit in den Unterricht einbauen. Respekt und Wissen über das Pferd
beginnen hier. Die Reiter müssen für diesen Ansatz sensibilisiert werden, damit sie erkennen, dass das Tier, um das sie sich kümmern, über Empfindungen und die Fähigkeit zu handeln und zu reagieren verfügt. Außerdem ist Bodenarbeit eine gute Gelegenheit, die Beziehung zu deinem Pferd zu verbessern.
Das Wohlbefinden des Pferdes in Reitvereinen ist nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Es ist ein offenes Geheimnis: Ein glückliches Pferd macht die Trainingseinheiten des Reiters leichter, da es Spaß am Unterricht hat. Im Gegensatz dazu wird ein Pferd, das Schmerzen hat oder sich nicht wohl fühlt, nicht positiv auf die Anforderungen reagieren können.
Es geht also, kurz gesagt, darum, ständig zu beobachten und dann unsere
Reaktionen und Anforderungen anzupassen, um die körperliche und psychische Unversehrtheit des Pferdes zu wahren.