Am Donnerstag hatte der Dokumentarfilm „40 Tage, 4 Criollos und Stille...“
seine Vorpremiere. Unter der Regie von Jean-François Pignon und gedreht
auf dem Land von Florent Pagny, nimmt uns diese Doku mit auf eine Reise
nach Patagonien. Wir erleben 4 Criollos, in der argentinischen Pampa
geborene Wildpferde, die der Pferdetrainer 40 Tage lang instinktiv und mit
seinem Erfahrungsschatz versuchte zu trainieren und zu zähmen. Eine echte
Entdeckungsreise.
Horse Republic: Wie entstand die Idee zu dieser Reise nach Patagonien?
Jean-François Pignon: Florent Pagny besitzt mehrere sogenannte Campos in
Argentinien, Grundstücke mitten in der Pampa. Er hatte festgestellt, dass sich auf
einem davon vier Pferde aufhielten. Und sie waren dort nicht zufällig, sie waren
dem sogenannten „Palenque“, spanisch für Pfahl, entkommen. Hierbei handelt es
sich um eine sehr brutale Methode, bei der ein Pferd stunden- oder gar tagelang an
einem Pfahl angebunden wird, um es zu trainieren. Florent Pagny hat mir also
vorgeschlagen, ihn zu besuchen, mit dem Ziel, den Pferden diese Methode erneut
zu ersparen. Ich sollte sie zähmen, damit die Gauchos, die argentinischen
Schafhirten, sie für ihre Zwecke einsetzen könnten.
Auf den Bildern sieht es so aus, als hätten Sie Stunden damit verbracht, sich den Pferden zu nähern, wie sah Ihr Tagesablauf aus?
Morgens fuhr ich mit einer Drohne in die Pampa, um die Pferde zu orten. Sobald
ich sie gefunden hatte, verbrachte ich etwa acht Stunden mit ihnen vor Ort, ohne
Pause, denn ich wollte ihre Aufmerksamkeit nicht verlieren. Ich musste viel Geduld
aufbringen.
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Beim Versuch, eine Beziehung zu den Pferden aufzubauen, sieht man häufig, dass sie ihre rechte Hand nach ihnen ausstreckten, warum?
Im Gegensatz zu dem, was manche vielleicht denken, hat das nichts damit zu tun,
die Hinterhand zu aktivieren. Wenn ich meine Hand in Richtung der Hinterhand
ausstrecke, versuche ich, die Vorhand des Pferdes zu mir zu ziehen. Wenn das
Pferd darauf reagiert, ist das ein Zeichen von Entspannung und es bringt mir etwas
Vertrauen entgegen.
Sie haben weder Stimme noch Leckerli benutzt, um die Pferde zu locken?
Sie haben mich Stille gelehrt, denn das bedeutet, dass man sich bei ihnen
wohlfühlt. Ich habe sie in den 40 Tagen nie wiehern gehört, außer wenn sie
miteinander kämpften. Und sie mit Leckerli zu locken wäre nicht der richtige Weg
gewesen, ich wollte eine gesunde Beziehung zu ihnen aufbauen. Ich sprach also
nicht in unserer Sprache, sondern in Pferdesprache mit ihnen: Der Blick war mein
einziges Kommunikationsmittel. Sobald sie verstanden hatten, was ich von ihnen
wollte, senkte ich den Blick und belohnte sie auf diese Weise. Ich hielt mich an
ihren Verhaltenskodex.
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An einer Stelle in Ihrer Doku kommt es zu einem Zwischenfall. Im Anschluss daran überkamen Sie Zweifel, warum?
Ich hatte ja nur 40 Tage, um sie zu zähmen, danach musste ich nach Frankreich
zurück, also zählte jede Minute. Ich begann mich an sie zu gewöhnen und hatte
natürlich Angst, dass sie im Falle meines Scheiterns, das gleiche Schicksal wie die
anderen Pferde erleiden würden. Doch ohne mir dessen bewusst zu sein, hatte ich
die Dinge auf den Kopf gestellt. Als der Unfall passierte, dachte ich mir, ich wäre zu
schnell gewesen. Ich hatte Selbstzweifel, habe mich gefragt, ob es richtig war,
diese völlig verrückte Herausforderung zu wagen. Doch zum Glück erlaubte mir der
Vorfall zu reagieren und einen Schritt zurück zu gehen. Ich konzentrierte mich
darauf, das Gefühl der ersten Tage wiederzufinden und ab da machten die Pferde
Fortschritte.
In nur 40 Tagen gelang es Ihnen, sie zu reiten. Wie erklären Sie sich diese Schnelligkeit?
Das Pferd ist ein Tier, das viel verzeihen kann. Trotz aller Fehler, die ich bei meinen
ersten Annäherungsversuchen gemacht hatte, haben sie es geschafft, einen
Schlussstrich zu ziehen, als wäre nie etwas passiert. Sie spürten alles. Sie
vertrauten mir, wenn ich ruhig und positiv war, jedoch nicht, wenn ich schlecht drauf
war. Daher habe ich direkt nach dem Vorfall versucht, die Einstellung der ersten
Tage zurückzuerlangen, indem ich meine eigenen Gefühle beiseite schob. Und so
konnten wir dann Schritt für Schritt alle Stufen durchlaufen.
Was ist aus den vier Pferden geworden?
Bevor ich abreiste, hatte Florent mir versprochen, einen Trainer der „neuen
Generation“ zu finden, der eine ähnliche Trainingsmethode verwenden würde wie
die unsere. Er fand tatsächlich einen und dieser arbeitete zwei Tage lang mit den
Pferden. Dann wurden sie den Gauchos übergeben, um beim Schafehüten zu
helfen.
Wie hat diese Erfahrung Ihr Leben verändert?
Für mich war das eine echte Entdeckungsreise. Ich habe einen Ort entdeckt, der
keinerlei Verbindung zur Moderne hat. Ich hatte das Gefühl, in der Wiege der Natur
zu sein. Zwei Welten trafen hier aufeinander, meine eigene, roh, unter Druck, voller
Stress und die der Pferde, ruhig und still. Als ich nach Frankreich zurückkehrte,
hatte ich das Gefühl, dass ich einen Rucksack voller neuer Dinge mitgebracht
hatte, die ich ausprobieren wollte: die ausgestreckte Hand, die Atmung der Pferde.
Mein Ideal wäre es, ohne Gerte zu arbeiten, und diese Erfahrung hat mir geholfen,
diesem Ziel ein wenig näher zu kommen.
Die Dokumentation „40 Tage, 4 Criollos und Stille“ wird ab Mittwoch, den 5.
Oktober, in allen Kinepolis-Kinos in Frankreich zu sehen sein.